Zukunft Handwerk: blickt nach vorn
Erlangen | Für das Handwerk stehen die Zeichen auf Transformation. Hohe Energiepreise und Inflation, wacklige Lieferketten und der altvertraute Fachkräftemangel, der für immer größere Lücken in den Betrieben sorgt – die Zeichen stehen auf Veränderung. Gern werden diese Herausforderungen mit den drei „D´s“ zusammengefasst: Demographie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Diese drei Megathemen spiegelten sich auch in der Erstauflage des Münchner Kongresses „ZUKUNFT HANDWERK“ wider. Unter den 3.700 Teilnehmern war auch Kauri Spirit, um sich ein Bild der anstehenden Veränderungen zu machen.
Es hatte schon eine gewisse Symbolkraft, als beim Kongresspart „Social Media: Handwerker oder Influencer?“ plötzlich der bayerische Probealarm anschlug. Gerade berichteten Social-Media-Experten über Stories und Beiträge des Handwerker-Nachwuchses. Auch bei diesem Thema läuten die Alarmglocken. Einerseits fehlen wegen Corona die Kontakte zu potenziellen Azubis. Andererseits stecken digitale Kommunikationskanäle zu jüngeren Zielgruppen noch in den Kinderschuhen.
Jeder vierte Ausbildungsplatz nicht besetzt
Vielen Schulabgängern fehlen konkrete Vorstellungen, wie viel Geschick und Köpfchen in den unterschiedlichen Gewerken im Berufsalltag gefragt sind. „In diese Lücken können aktive Handwerksfirmen per Social Media vorstoßen, um gezielt Nachwuchs neugierig zu machen“, kommentiert der Erlanger Marketer Ulf Thaler, Chef von Kauri Spirit. „Der Druck wird allein schon durch die demographische Entwicklung immer größer.“ Bundesweit wird es immer schwieriger, angebotene Ausbildungsplätze zu besetzen. Mittlerweile kann durch die Bank weg gut jeder vierte Ausbildungsplatz nicht besetzt werden. Im Zuge der Corona-Krise setzt sich die Nichtbesetzungsquote auf einem hohen Niveau fort.
Thaler tauscht sich auch mit Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) am Rande von ZUKUNFT HANDWERK aus. Für Dittrich ist klar: „Ich werbe auch an der Basis in den Kreishandwerkerschaften für den Weg, junge Menschen über Social Media-Posts anzusprechen. Denn Handwerk ist cool, da gibt es Zukunft.“
Digitalisierung mit Augenmaß
Für die beteiligten Gewerke an Energiewende und Dekarbonisierung ist die wachsende Digitalisierung ein zentrales Thema. Die Gebäudemanagement und Ressourceneffizienz benötigen jede Menge digitale Helferlein zum Messen und Steuern. Im Ausstellungsbereich präsentierten Firmen, wie etwa Robotik-Technik automatisiert die Mitarbeiter in Fertigung, Lager oder Materialmanagement effizient entlasten kann. Andere Lösungen rücken beispielsweise digitalen Schulungsmöglichkeiten an Maschinen und Anlagen. Sie können etwa im laufenden Maschinenbetrieb dank virtueller Realität mit einer VR-Brille die Bedienung kennenlernen.
Klar ist natürlich auch, dass nicht jede Lösung für jeden Betrieb geeignet ist. Gefragt ist eine Digitalisierung mit Augenmaß. Digitale Homeoffice-Angebote können für knappe, neue Bürokräfte ein überzeugendes Argument sein, die Aufgaben zu übernehmen. Im Hoch- oder Tiefbau rücken Planer zunehmend mit digitalen Tools an, um effizienter zu arbeiten oder abzurechnen. Das macht das unübersichtliche Thema Digitalisierung trotz voller Auftragsbücher zu einem strategischen Chef-Thema, das zusätzlich gestemmt werden muss. Die Ausgangslage ist allerdings gar nicht so schlecht. Mittlerweile nutzen zwei Drittel der Handwerksunternehmen digitale Technologien und Anwendungen. Im einen oder anderen Fall entsteht zum eigentlichen Kerngeschäft etwa ein Onlineshop, der für zusätzliches Geschäft mit anderen Firmen oder Verbrauchern sorgt.
Handwerk trifft ChatGPT & Co.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT, die gerade mit der neuen Version 4 am Markt ist. Der KI-Textgenerator bringt bereits die altvertraute Google-Suche ins Wanken. Die Software hat bereits in den USA Zulassungsprüfungen für Studiengänge erfolgreich absolviert. Tests beim bayerischen Abitur waren dagegen eher mittelmäßig. ChatGPT formuliert beispielsweise Texte oder Reden zu einem bestimmten Thema, schreibt auf Anforderung auch Gedichte im Goethestil zum Klimawandel oder malt Bilder in Stil eines bestimmten Künstlers zu einem beliebigen Thema. Eine Wunderwaffe ist diese KI allerdings noch nicht, weiß Thaler: „Es gibt immer wieder auch inhaltliche Fehler.“
Aber der Trend für ihn ist klar: „Die neuen KI-Dienste bieten einen spannenden Vorgeschmack auf die mögliche Zukunft.“ So könnten Handwerker eingehende Mails erst einmal mit der KI eine baldige Antwort automatisiert ankündigen. Auch für Kauri Spirit selbst sieht Thaler Perspektiven: „Lästige Routinearbeiten fallen vielleicht bald weg, wir können uns dann noch intensiver auf maßgeschneiderte Inhalte für unsere Kunden konzentrieren.“